Zu glauben, man könne den göttlichen Willen beeinflussen durch Opfergaben, Wallfahrten, Prozessionen, Gebete, Beachtung aller religiösen Vorschriften oder durch gute Werke und ein Gott wohlgefälliges Leben, ist Aberglaube, Götzendienst. Was wahrer und reifer Glaube ist, wird uns in Hiob vorgeführt: Ihm zerbrechen alle Glaubensgewissheiten, er verliert seine liebsten Menschen, seine materielle Lebensgrundlage wird ihm entzogen, und im größten Leid hält er dennoch grundlos an diesem Gott fest und vertraut darauf, das alles, was geschieht, letztlich im Einklang mit Gottes Willen geschieht und das scheinbar Sinnlose einen für den Menschen verborgenen Sinn hat.
Wahrer Glaube versucht nicht, Gott für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren, sondern sich von Gott für dessen Zwecke instrumentalisieren zu lassen. Der wahrhaft Gläubige versucht nicht, Gott zu dienen, um damit seinem persönlichen Glück auf die Sprünge zu helfen oder seine Familie zu beschützen, auch nicht, um sich eine Planstelle im Himmel zu sichern; der wahrhaft Gläubige glaubt allein, weil er eine Wahrheit erkannt hat, die persönlichkeitsverwandelnde Wahrheit Gottes. Alles andere folgt wie von selbst aus dieser Verwandlung.— Christian Nürnberger (Das Christentum, S. 142)