Rituale der Dankbarkeit

Wer einmal anfängt zu danken, der wird so schnell nicht fertig damit. Und er wird entdecken, dass er leichter wird. Lockerer. Gelassener. Zufriedener. Und dass es seine Umgebung auf geheimnisvolle Weise auch wird. Nicht nur Jammern steckt an. Danken tut es auch.
Hanspeter Wolfsberger, der Leiter des Hauses der Besinnung in Betberg, hat das folgende Sieben-Tage-Dankprogramm zusammengestellt. Variationen und Ergänzungen sind nicht nur erlaubt, sondern hochwillkommen!

Sonntag:
Einen »Psalm-Spaziergang« machen. Ich lese an jeder Bank oder einer anderen schönen Stelle einen Lob-Psalm und ergänze ihn mit eigenen Dankworten. Am Morgen will ich Zeit in einer Kirche verbringen und mir staunend bewusst machen: Ich bin umgeben von dankenden und lobenden Elementen und Mächten (siehe Offenbarung 4,8-11; 5,7-10; 5,11-14; 7,11-12 und andere).

Montag:
Einen Dank-Stein in die Hosentasche stecken. Jedes Mal, wenn ich ihn spüre, will ich Gott für irgendetwas loben und ihm danken.

Dienstag:
Dankes-Freundlichkeiten verteilen. Ich will meine Fantasie spielen lassen, um – aus Dankbarkeit gegenüber Gott – möglichst vielen anderen Menschen heute eine Freude zu machen. Ein Anruf, ein Brief, ein Geschenk, eine freundliche Geste.

Mittwoch:
Ich fertige Abschriften eines Dank- und Lobliedes an, deponiere sie an verschiedenen Plätzen, an denen ich während des Tages vorbeikomme – auf dem Schreibtisch, im Auto, am Spülbecken, im Bad – und halte das Lied dadurch in mir lebendig.

Donnerstag:
Ich male mir einen Punkt auf meinen Handrücken, um mich daran zu erinnern: Aus Dank für Gottes großzügige Treue will ich heute auf ein bis drei Menschen zugehen, mit denen ich eigentlich nicht gut »kann«. Und ich will ihnen irgendeine Freundlichkeit zukommen lassen. Eine Karte, ein Eis, einen Kaffee, ein Kompliment.

Freitag:
Ich will heute viel anschauen und mich innerlich davon berühren lassen. Kleine Wäscheklammern an meinem Computer, an meinem Terminkalender oder an meinem Autoschlüssel sollen mich daran erinnern. Heute Abend erzähle ich einem anderen, was ich heute Schönes gesehen habe.

Samstag:
Ich verändere etwas an mir oder in meiner Umgebung, um aufmerksamer zu werden: Ich stecke meinen Ring an einen anderen Finger, ich ziehe bewusst ein besonderes Kleidungsstück an – denn ich will heute den Sonntag vorbereiten. Ich will heute einen Moment der Stille suchen. Ich will heute oder morgen einen Menschen finden, mit dem ich bewusst und dankbar Gott loben kann.

— Jürgen Werth (Danken tut gut, S. 148)

Der Durst

In den Augen aller Menschen wohnt eine unstillbare Sehnsucht. In den Pupillen der Menschen aller Rassen, in den Blicken der Kinder und Greise, der Mütter und liebenden Frauen, in den Augen des Polizisten und des Angestellten, des Abenteurers und des Mörders, des Revolutionärs und des Diktators und in denen des Heiligen: In allen wohnt der gleiche Funke unstillbaren Verlangens, das gleiche heimliche Feuer, der gleiche tiefe Abgrund, der gleiche unendliche Durst nach Glück und Freude und Besitz ohne Ende. Dieser Durst, den alle Wesen spüren und von dem auch im Gleichnis von der Samariterin am Brunnen gesprochen wird, ist die Liebe zu Gott.
Um dieser Liebe willen werden alle Verbrechen begangen und alle Kriege gekämpft, ihretwegen lieben und hassen sich die Menschen. Um dieser Liebe willen werden Berge bestiegen und die Tiefen der Meere erforscht, für sie wird geherrscht und intrigiert, gebaut und geschrieben, gesungen, geweint und geliebt. Alles menschliche Tun, sogar die Sünde, ist eine Suche nach Gott, nur sucht man Ihn dort, wo er am wenigsten zu finden ist.
Darum sagt der Kirchenvater Augustinus: »Suche, was du suchst, aber nicht dort, wo du es suchst.« Überall suchen wir Gott, auf Festen und Orgien und Reisen, in Kinos und Bars, und doch finden wir Ihn einzig und allein in uns selbst.

— Ernesto Cardenal (Das Buch von der Liebe, S. 27)

Schmerz

Der Schmerz ist ein heiliger Engel, und durch ihn sind die Menschen größer geworden als durch alle Freuden der Welt.

— Adalbert Stifter

Bücher

Ich habe noch keinen Film gesehen, der besser wäre als das schlechteste Buch, das ich gelesen habe.

— Bob Dylan

Die Nachbarskinder

Wer andern gar zu wenig traut,
Hat Angst an allen Ecken;
Wer gar zu viel auf andre baut,
Erwacht mit Schrecken.

Es trennt sie nur ein leichter Zaun,
Die beiden Sorgengründer;
Zu wenig und zu viel Vertraun
Sind Nachbarskinder.

— Wilhelm Busch (Schein und Sein)

Vielleicht

Sage nie: Dann soll’s geschehen!
Öffne dir ein Hinterpförtchen
Durch „Vielleicht“, das nette Wörtchen,
Oder sag: Ich will mal sehen!

Denk an des Geschickes Walten.
Wie die Schiffer auf den Plänen
Ihrer Fahrten stets erwähnen:
Wind und Wetter vorbehalten!

— Wilhelm Busch (Schein und Sein)